• Höheres Alter (Siegel et al., 2016):
-Wahrscheinlichkeit für ein Mammakarzinom bis zum 49 Lj.: 1,9 (1 von 53 Frauen)
-zwischen 50. und 69. Lj.: 2,3 (1 von 44 Frauen)
-zwischen 60. und 69. Lj.: 3,5 (1 von 29 Frauen)
-Wahrscheinlichkeit für ein Mammakarzinom zwischen 70 und älter: 6,7 (1 von 15 Frauen)
• Mammakarzinom-Anamnese:
-Genmutationen (siehe 2.1. Exkurs: Hereditäres Mammakarzinom)
-familiäre Mammakarzinomanamnese
-persönliche Mammakarzinomanamnese (Colditz et al., 1995)
• Pathologie:
-proliferative Läsionen +/– Atypien
-erhöhte Brustdichte (McCormack et al., 2006)
• Thoraxbestrahlung (z. B. Mb. Hodgkin).
• Chemische Stoffe,während der fetalen und frühkindlichen Entwicklung (DES – Diethylstilbestrol).
• Hormonelle Risikofaktoren:
-frühe Menarche, späte Menopause
-kurze Stillzeit
-Hormonersatztherapie (Östrogen/Gestagen-Kombination) in der Postmenopause
-Nulliparität (Colditz et al., 2000
-späte Primipara
-Insulin-like Growth Factor 1 (Wolf et al.. 2005)
• Lebensstil-Faktoren:
-Übergewicht (Alsaker et al., 2013; Emaus et al., 2014)
-Alkoholabusus
-Bewegungsmangel
-Nikotin (Gram et al., 2015)
-Nacht-/Schichtarbeit (Megdal et al., 2005)
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2.1. Exkurs: Hereditäres Mammakarzinom
• Mutationen der Gene BRCA1 und -2(BReast CAncer 1 und 2) sind für einen beträchtlichen Anteil des familiären Brust- und Eierstockkrebssyndroms verantwortlich. Eine Reihe von anderen Genen (TP53, Palb2, ATM, CHEK2, CDH1, RAD51c etc.) sind ebenfalls mit einem erhöhten Brust- und Eierstockkrebsrisiko assoziiert, jedoch ist das relative Risiko zum Teil nur gering oder mäßig erhöht („geringe“ bzw. „intermediäre Penetranz“). Häufig geht eine funktionelle Mutation in einem dieser Gene mit einer Erhöhung auch von anderen soliden Tumoren einher (z. B. CDH1 und Magenkarzinom; TP53 und solide Tumoren).
• Brustkrebs-assoziierte Mutationen werden autosomal-dominant vererbt,d. h. dass sowohl Frauen wie auch Männer TrägerInnen der Keimbahnveränderung sein können. Keimbahnmutationen werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an die nachfolgende Generation übertragen.
• Durch die Identifikationeiner monogenetischen Keimbahnmutation als genetische Ursache eines erhöhten Risikos in einer Familie sind individuelle Erkrankungsprognosen zu einzelnen Familienmitgliedern möglich
• In Österreich schätzungsweiseca. 25.000 MutationsträgerInnen.
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2.1.1. Frauen mit BRCA1-Mutation
• Dramatische Erhöhung des Brustkrebs-Erkrankungsrisikosvon 70–85 % bis zum 70. Lj., Risiko schon in jungen Jahren besonders hoch. Lebenszeit-Risiko für ein zweites Primum bis zu 60 %.
• Deutliche Erhöhung des Eierstockkrebs-Risikos:Bis zum 70. Lj. erkranken 50 %; Erkrankungsalter verglichen mit sporadischem Eierstockkrebs ebenfalls niedriger. Anstieg des Eierstockkrebsrisikos etwa ab dem 40. Lj.
• Häufig charakteristischer histopathologischer und immunhistochemischer Phänotyp:Bei Vorliegen einer BRCA1-Keimbahnmutation weisen ca. 80 % der Tumoren einen besonders aggressiven Subtyp auf (G3-Morphologie, triplenegative Tumorbiologie).
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2.1.2. Frauen mit BRCA2-Mutation
• Brustkrebsentwickeln 70–85 % bis zum 70. Lj. (durchschnittliches Erkrankungsalter etwas höher als bei BRCA1).
• Eierstockkrebs entwickeln 30 % bis zum 70. Lj. Anstieg des Eierstockkrebsrisikos ab dem 45. Lj.
• Männer mit BRCA2 ebenfalls mit erhöhtem Brustkrebsrisiko (6 vs. 0,1 in der Normalpopulation).
• Histologisch wie sporadische Karzinome– d. h. es herrscht keine besonders charakteristische Tumorbiologie vor.
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2.1.3. Molekulargenetische Untersuchung und Beratung in Österreich
• Für Mitglieder von Hochrisiko-Familienstehen österreichweit über 80 Beratungsstellen für niederschwellige und Gentechnikgesetz-konforme genetische Beratung zur Verfügung. Eine Auflistung der Beratungsstellen finden Sie unter www.brustgenberatung.at.Bei Vorliegen zumindest einer der Indikationskriterien (siehe Tab. 1) soll auf die Möglichkeit einer genetischen Beratung und einer (für in Österreich versicherte Frauen und Männer ab dem 18. Lj. kostenlosen) genetischen Analyse hingewiesen werden. Wenn in einer Familie noch keine MutationsträgerInnen identifiziert wurden, sollte die Testung primär bereits Betroffenen angeboten werden.
• Bei allen Personen mit einem metastasierten Mammakarzinomsollte heute unabhängig vom Vorliegen einer Familienanamnese – aufgrund der Verfügbarkeit und der Effektivität von PARP-Inhibitoren (und der damit verbundenen therapeutischen Relevanz) – eine Keimbahntestung für BRCA1 und -2 angeboten werden. Diese Empfehlung beruht auf den Ergebnissen von 2 prospektiv durchgeführten Zulassungsstudien (OlypmiAD und EMBRACA), die die klinische Überlegenheit dieser Substanzgruppe gegenüber konventionellen Monochemotherapien beim metastasierten BRCA-assoziierten Mammakarzinom aufgezeigt haben.
• Auch bei Frauen mit epithelialen Ovarialkarzinomen ohne Familienanamnesewerden aufgrund der Zulassung von PARP-Inhibitoren (und damit therapeutischen Konsequenz) beim platinsensitiven, rezidivierten Ovarialkarzinom BRCA1- und BRCA2-Keimbahnanalysen durchgeführt. Sollte eine intratumorale BRCA-Mutation im Ovarialkarzinomgewebe festgestellt worden sein, sollte der betroffenen Frau eine genetische Beratung angeboten werden, um eine zugrundeliegende Keimbahnmutation – und somit eine hereditäre Ursache der Krebserkrankung zu entdecken.
• Für Frauen mit triplenegativem Mammakarzinom(TNBC) vor dem 60. Lj. oder bei klinischer Relevanz (z. B. bei angestrebter prophylaktischer OP) besteht aufgrund der erhöhten Prävalenz des Mutationsstatus inzwischen auch eine Indikation zur Testung.
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2.1.4. Management bei identifizierten Mutationsträgerinnen
• Intensivierte Früherkennung:
-jährliche Brust-MRT ab dem 25. Lj. oder 5 J. vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie
-Mammografie erst ab 35. Lj. (davor ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis wegen BRCA-assoziierter erhöhter Strahlensensitivität)
-Brustultraschalluntersuchung ohne Mehrwert bei der Entdeckung von frühen Mammakarzinomen
-kombinierte Sensitivität der auf das Alter abgestimmten Methoden zur Brustuntersuchung nach heutigem Wissensstand über 95 %
-Wertigkeit des Vaginalultraschalls und von Tumormarkern zur Früherkennung von Ovarialkarzinomen nicht gesichert (mangels Alternativen dennoch angeboten)
• Vorbeugende Operationen als einzige Möglichkeit, das Erkrankungsrisiko selbst deutlich zu senken:
–prophylaktische Mastektomie: Brustkrebs-Risikoreduktion um über 90 %; in Österreich entschieden sich dafür bisher 16 % der identifizierten Mutationsträgerinnen (die meisten
mit Sofortrekonstruktion), in den letzten Jahren deutliche Zunahme
–prophylaktische Adnexektomie: aufgrund der geringeren Sensitivität der Früherkennungsuntersuchungen nach abgeschlossener Familienplanung eine wichtige Option; deutlich größere Akzeptanz im Vergleich zur Mastektomie (42 % der österreichischen Mutationsträgerinnen bisher);
Wahrscheinlichkeit für ein Ovarialkarzinom sinkt auf etwa 1 %;
postulierter gleichzeitiger Brustkrebsschutz in letzter Zeit zunehmend hinterfragt
(insbesondere bei BRCA1- und älteren BRCA2-Trägerinnen)

• Chemoprävention: Retrospektive ungeplante Observationen lassen einen protektiven Effekt von Tamoxifen bzw. Aromatasehemmern zur Vorbeugung von BRCA-assoziierten Mammakarzinomen zu. Jedoch ist die Studienlage unklar. Eine derzeit auch in Österreich durchgeführte internationale Präventionsstudie untersucht den präventiven Effekt von Denosumab bei noch nicht an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankten Frauen mit BRCA1-Mutationen. Eine Teilnahme an dieser Studie als – zumindest teilweise – Alternative zur prophylaktischen Operation sollte mit gesunden BRCA1-Mutationsträgerinnen diskutiert werden.
• Interdisziplinäres Betreuungskonzept,das auch psychosoziale Angebote beinhaltet, um eine optimale Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten.
Kontaktadresse: Weitere Informationen über familiären Brust– und Eierstockkrebs sowie Kontaktadressen von Beratungsstellen in ganz Österreich sind unter www.brustgenberatung.at erhältlich