6.1. Vorgehen bei Kinderwunsch
• Uterus-erhaltendes Vorgehen ist möglich: bei Vorliegen eines Grad-1-Karzinoms im Stadium Ia, allerdings ohne (!) myometrane Tumorinfiltration (sicherer Ausschluss dieser durch Sonografie und MRI-Untersuchung).
• Eine molekulare Tumorcharakterisierung ist auf jeden Fall indiziert (IHC von Progesteronrezeptoren [PR], p53, MMR-Proteine und L1CAM sowie POLE-Mutationsstatus). Die Patholog:innen sollten auf eine ausgeprägte Heterogenität der Markerexpression hinweisen.
• Gestagen-Dauertherapie (Medroxyprogesteronazetat 250 mg/d [–500 mg/d]), Megestrolazetat (160 mg/d [–320 mg/d]), auch Levonorgestrel-haltige Spiralen (Colombo et al., 2016). Letztere lokalen hormonellen Maßnahmen können durch eine orale Zusatztherapie komplementiert werden.
• Ob eine zusätzliche hysteroskopisch totale bzw. partielle Endometrium-Resektion die onkologischen und/oder die reproduktiven Ergebnisse verbessert bzw. verschlechtert, ist derzeit aus Mangel an vertrauenswürdigen Daten nicht zu sagen.
• Verlaufskontrolle in 3-monatlichen Abständen mittels Hysteroskopie und Endometriumbiopsie.
• Bei Befundpersistenz oder -progredienz Hysterektomie indiziert.
• Patientinnenaufklärung: Auf die Möglichkeit eines fehlenden Ansprechens und hohe Rezidivrate (ca. 40 %) ist besonders hinzuweisen („informed consent“); d. h. die Patientin sollte nach erfülltem Kinderwunsch mit einer Hysterektomie/Salpingektomie einverstanden sein.
• Zur zeitnahen Erfüllung des Kinderwunsches ist die Patientin an eine reproduktionsmedizinische Institution zuzuweisen.
6.2. Primäre chirurgische Therapie
6.2.1. Allgemeine Aspekte
• Durch präoperative diagnostische Maßnahmen sowie durch eine intraoperative histologische Evaluierung erfolgt Einteilung in Low-, Intermediate- und High-Risk-Endometriumkarzinome (präoperative Aufklärung der Patientin bei vermutetem Low-Risk-Karzinom über eine mögliche Erweiterung der Operation mit Lymphadenektomie und Debulking).
• Risikoadaptiertes systematisches Vorgehen bei der Operation selbst ratsam, um die onkologisch geforderten Kriterien auch sicher einzuhalten (siehe Tab. 10, 11).
• In fortgeschrittenen Stadien immer an die besonderen Gegebenheiten der Erkrankung, die Komorbiditäten und Präferenzen der Patientin angepasstes Vorgehen.
• Im FIGO-Stadium IVa bei günstigen Verhältnissen evtl. Exenteratio pelvis zu erwägen.
• Im Stadium FIGO IVb systemische Therapie im Vordergrund; bei auf das Abdomen beschränkter Metastasierung oder isolierten, resezierbaren Fernmetastasen sowie nach kompletter Remission nach Chemotherapie kann zusätzlich eine Entfernung des inneren Genitales in Frage kommen.
6.2.2. Vorgehen bei Primäroperation
• Bei allen Frühstadien (Stadium I und II vermutet unabhängig vom LK-Befall [IIIC1/2]) laparoskopischer Weg zu bevorzugen (mediane Laparotomie, wenn notwendig). Dabei sollte immer eine Entfernung der Sentinel-Lymphknoten beidseits durchgeführt werden.• Nur Operateur:innen, die sowohl eine pelvine als auch paraaortale Lymphadenektomie laparoskopisch bzw. offen beherrschen.• Rein vaginales Vorgehen nur bei signifikanten Begleiterkrankungen.• Inspektion der gesamten Bauchhöhle (suspekte Areale biopsieren bzw. exzidieren und intraoperativ histologisch untersuchen).• Bei extrauterinem Tumorbefall ergibt ein optimales Debulking einen Überlebensvorteil (Lambrou et al., 2004; Havrilesky et al., 2007).• Um eine Tumorverschleppung zu vermeiden: Vor Beginn von Manipulationen am Uterus Tuben abklemmen (bzw. veröden), auf ein Anhaken des Uterus mit scharfem Instrumentarium (Krallen etc.) und in jedem Fall auf ein Morcellement verzichten (sowohl laparoskopisch als auch vaginal).• Adnexektomie aus folgenden Überlegungen obligat: – Vorkommen von Mikrometastasen in den Adnexen (im Stadium I in bis 9 %, in höheren Stadien bis 20 %) – primäres Zweitmalignom in den Ovarien bei 5 % – erwünschte Verminderung der Östrogenproduktion
• Adnexerhaltung bei Frauen unter 45 Jahren mit einem endometrioiden Endometriumkarzinom, Grad 1 oder 2, im FIGO-Stadium Ia, ohne Familienanamnese für Ovarialkarzinom bzw. bekannte BRCA-Keimbahn-Mutation oder bekanntes Lynch-Syndrom.
• Bei der Diagnose eines Zervixbefalls im fraktionierten Kürettagematerial Möglichkeit eines falsch positiven Befundes (verschleppter Tumor aus dem Cavum uteri) bedenken.
• FIGO-Stadium II: – histologischer Nachweis einer Infiltration in das endozervikale Stroma (cave: nicht des Myometriums – maligne Zellformationen ohne Bezug zum Stroma wie z. B. ein Herunterwachsen des Karzinoms in den Zervikalkanal oder in die Zervixdrüsen reichen nicht zur Diagnose eines Stadiums II) – bei der diagnostischen Hysteroskopie ist auf eine genaue Beurteilung des Zervikalkanals zu achten (meistens kann die endgültige Beurteilung der Cervix uteri erst am Hysterektomiepräparat intraoperativ erfolgen) – Indikation für eine systematische Lymphadenektomie: Die größte bisher publizierte Studie zum Zervixbefall (Watanabe et al., 2010) zeigt, dass im Gegensatz zu früheren Annahmen ein Befall der Parametrien nur in Einzelfällen vorliegt, allerdings bei 93 % der Stadium-II-Fälle mehr als eines der folgenden zusätzlichen Risikokriterien: – Infiltration von mehr als 50 % des Myometriums, – retroperitonealer pelviner und/oder paraaortaler Lymphknotenbefall, – Ovarialmetastasen
– positive Peritonealzytologie, Lymphgefäßinvasion (LVSI); im Stadium II ist somit auf jeden Fall ein Lymphknoten-Staging indiziert – Resektion der Parametrien (radikale Hysterektomie) ist nur bei klinisch zervixüberschreitenden Karzinomen (siehe Wichtigkeit der präoperativen digital rektalen Parametrium-Beurteilung und intraoperativen abdominellen Parametrienpalpation) zur kompletten Tumorentfernung indiziert
• Omentektomie ist nur bei serösen Endometriumkarzinomen, nicht aber bei klarzelligen oder entdifferenzierten Karzinomen oder bei Karzinosarkomen (MMMT) indiziert (Colombo et al., 2016)
• Lymphknoten-Staging (Lymphadenektomie und Sentinel-Lymphknoten Konzept): – Eine systematische Lymphadenektomie (vollständige pelvine und paraaortale Lymphadenektomie bis zum Abgang der linken Nierenvene) ist bei unauffälligem Lymphknotenstatus eine Staging- und keine therapeutische Maßnahme (Kitchener et al., 2009); kein Überlebensvorteil in einer Cochrane-Analyse (May et al., 2010) – eine laufende prospektiv-randomisierte Studie der deutschen AGO (ECLA-Trial) wird versuchen, diese These endgültig zu klären. Die Sinnhaftigkeit einer Lymphadenektomie als Staging-Prozedur liegt demnach in der Festlegung der späteren adjuvanten Therapie (siehe FIGO-Stadium IIIc und Indikation zur Chemotherapie bzw. Radiochemotherapie). – Die Indikation zum Lymphknoten-Staging ist im Stadium I bei Intermediate-, Intermediate-Highund High-Risk-Fällen (siehe 5.3.) sowie im FIGO-Stadium II (= High-Risk) gegeben (durch präoperative und intraoperative histologische Untersuchung festgestellt). – An sich ist eine vollständige systematische Lymphadenektomie laut der FIGO noch Bestandteil des operativen Stagings. Dennoch hat sich das Sentinel-Lymphknoten-Konzept, auch bei derzeitigem Fehlen einer Level-I-Evidenz, in den letzten Jahren im Routinealltag zusammen mit der primär laparoskopischen Vorgangsweise bei allen Frühstadien durchgesetzt. Die Detektionsraten sind bei der Indozyanin-Grün-Markierung am besten und somit ist zur Detektion eine Infrarot- oder Laserkamera vonnöten. Der Farbstoff wird in 4 Portionen zu je 0,5 ml bei 9:00 und 15:00 jeweils oberflächlich (1–2 mm) und tief (1 cm) in die Portio injiziert (Rossi et al., 2017). Die beidseitig entfernten Sentinel-LK sollen am Gefrierschnitt untersucht werden, um festzustellen, ob es sich um LK-Gewebe handelt. Gelingt die Darstellung einseitig oder beidseitig nicht, ist bei Intermediate-, Intermediate-High- und High-Risk-Fällen wie bisher eine systematische Lymphadenektomie durchzuführen.
– Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, bei allen präoperativ histologisch verifizierten Endometriumkarzinomen eine beidseitige Entfernung der Sentinel-Lymphknoten durchzuführen, da es nicht so selten zu einer „Up-Graduierung“ von Low-Risk-Fällen in der endgültigen Histologie kommen kann. – Klinisch auffällige LK sind im Sinne eines Debulkings immer zu entfernen und im Gefrierschnitt histologisch zu untersuchen; bestätigt sich Befall, sind alle weiteren vergrößerten und suspekten LK zu entfernen. – Wird ein Tumorbefall bei einem der Sentinel-LK in der endgültigen Histologie (pathologisches Ultra-Staging) festgestellt, ist keine Komplettierung der Lymphadenektomie notwendig. Es kommt lediglich zu einem Up-Staging zu einem FIGO-Stadium IIIc 1 oder 2 , was allerdings zu keinen operativen therapeutischen Konsequenzen (Komplettierungs-OP) führt (Khoury-Collado et al., 2016) (Befall der paraaortalen LK bei bis zu 7,5 % bei G2-Tumoren bzw. bis 30 % bei G3-Tumoren). – Pathologisches Ultra-Staging: Es ist darauf hinzuweisen, dass das Ultra-Staging an den gewonnenen Lymphknoten einen essenziellen Bestandteil des Sentinel-Lymphknoten-Konzepts darstellt und von den zuständigen Patholog:innen einzufordern ist. Hierbei wird jeder der zur histologischen Untersuchung eingesandten Sentinel-Lymphknoten in multiplen, genau festgelegten Schnittstufen systematisch aufgearbeitet und durch mehrere Pankeratin-IHC-Untersuchungen komplettiert, um auch einen minimalen Tumorbefall des Sentinels zu diagnostizieren. – Minimaler Tumorbefall (Mikrometastasen und isolierte Tumorzellen) – Definition: Mikrometastasen > 0,2 mm bis ≤ 2 mm, isolierte Tumorzellen ≤ 0,2 mm: Bei Mikrometastasen ist eine adjuvante Therapie indiziert. Bei isoliertem Tumorzell-Befall ist im Prinzip auf eine adjuvante Therapie zu verzichten, es sei denn, es besteht ein substanzieller LVSI, ein Grad-3-Tumor oder eine sehr tiefe myometrane Infiltration (Bogani et al., 2019).
6.3. Primäre Radiotherapie
• Ultima Ratio bei wirklich inoperablen Patientinnen in Form einer kombinierten perkutanen und intrakavitären Radiotherapie (alleinige intrakavitäre Therapie nur bei kleinen Tumoren und relevanten Kontraindikationen gegen eine Perkutanbestrahlung im absolut palliativen Setting).
6.4. Primäre Chemotherapie
• Dem Stadium FIGO IV (insbesondere IVb) vorbehalten (palliative Situation).• In Einzelfällen zusätzliche operative Entfernung des Uterus zur Blutstillung und intraabdominales Debulking.• Auch im FIGO-Stadium IVa kann u. U. eine palliative „neoadjuvante“ Chemotherapie (Schemata siehe 6.7. Rezidivtherapie) eine Operabilität erzielen.
6.5. Adjuvante Therapie
6.5.1. Allgemeine Aspekte
• Adjuvante Chemotherapie: Die GOG-122-Studie (Randall et al., 1995) untersuchte Fälle im FIGO-Stadium III und IV und verglich eine Kombination von Doxorubicin 60 mg/m² plus Cisplatin 50 mg/m², q21, 7 Zyklen gefolgt von 1 Zyklus Cisplatin-Monotherapie mit einer Ganzabdomenbestrahlung mit 30 Gy in 20 Fraktionen plus 15 Gy perkutaner Beckenbestrahlung. Im Falle unbekannter oder positiver paraaortaler Lymphknoten erfolgte zusätzlich eine paraaortale BoostBestrahlung.
Ergebnis: deutlicher Vorteil für die Chemotherapie (PFS: 59 % vs. 46 %; und auch im OS: 70 % vs. 59 %). Allerdings war nur ein Teil der Patientinnen lymphadenektomiert. Es ist somit für diese Gruppe die alleinige adjuvante Chemotherapie einer alleinigen Radiotherapie möglicherweise vorzuziehen. Individuelle Begleitumstände wie z. B. das Alter der Patientinnen (verminderte myeloische Reserve) sind als limitierend zu beachten. Zwischenzeitlich hat sich die Kombination aus Carboplatin AUC 5 und Paclitaxel 175 m2 als dem Cisplatin/Doxorubin-Schema gleichwertig durchgesetzt.
• Adjuvante Radiochemotherapie: Die NSGO-NC-9501/EORTC-55991-Studie (Hogberg et al., 2007) verglich bei 382 Patientinnen in den Stadien I bis III eine alleinige adjuvante Radiotherapie mit einer sequenziell verabreichten Radiochemotherapie (d. h. 4 Zyklen Chemotherapie nach Abschluss der Radiotherapie, wobei verschiedene Schemata appliziert werden konnten: Cisplatin/ Doxorubicin bzw. Epirubicin oder Paclitaxel/Carboplatin oder Paclitaxel/Carboplatin/Doxorubicin oder Paclitaxel/Carboplatin/Epirubicin). Ergebnis: Vorteile für die sequenzielle Radiochemotherapie im 5-Jahres-Gesamtüberleben (82 % vs. 74 %) und im progressionsfreien Überleben (83 % vs. 74 %) – allerdings nur für Typ-I-Karzinome und nicht für Typ-II-Karzinome. Da bei weniger als der Hälfte der Patientinnen ein adäquates LK-Staging durchgeführt wurde, ist der Nutzen einer adjuvanten Radiochemotherapie bei Patientinnen mit optimalem Lymphknoten-Staging und negativen Lymphknoten bei Karzinomen ab einem Intermediate-Risk durch diese Studie nicht zu belegen (Hogberg et al., 2008; Kong et al., 2007). In einer Post-hoc-Analyse der PORTEC-3-Studie (Inklusionskriterien: FIGO-Stadium I Grad 3; Stadien II und III sowie seröse und klarzellige Karzinome) gelang es, Überlebensvorteile (OS und Event-freies Überleben) durch eine adjuvanten Radiochemotherapie gegenüber einer alleinigen Strahlentherapie festzustellen. Dabei wurden die größten Vorteile für Karzinome im Stadium III und bei serösen Karzinomen festgestellt. Der Radiochemotherapie-Arm der PORTEC-3 bestand aus der Zugabe von 2 Zyklen Cisplatin-Monotherapie während der Radiotherapie und 4 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel in klassischer Dosierung 2 Wochen nach Beendigung der Strahlentherapie (de Boer et al., 2019). Allerdings zeigte die GOG-158-Studie, dass eine adjuvante Radiochemotherapie (nach dem PORTEC-3-Schema) keinen Vorteil gegenüber einer alleinigen Carboplatin-Paclitaxel-Chemotherapie über 6 Zyklen für Karzinome im Stadium III und IV in Bezug auf das DFS aufweisen konnte. Es war zwar durch die Radiochemotherapie die lokale Kontrolle verbessert (Reduktion der Anzahl der Vaginal-, Becken- und paraaortalen Rezidive), allerdings wurde eine signifikant höhere Rate an Fernmetastasen im Radiochemotherapie-Arm gegenüber der alleinigen Chemotherapie festgestellt (Matei et al., 2019).
6.5.2. Adjuvante Therapie bei Low-Risk-Karzinomen
• Empfehlung: Keine adjuvante Therapie.Begründung: Kein Vorteil durch adjuvante Radio-, Chemo- oder endokrine Therapie (Cochrane Database, 2000); im Zweifelsfall ist bei myometraner Infiltration < 50 % von G2-Karzinomen eine Brachytherapie der Scheide zu erwägen.
6.5.3. Adjuvante Therapie bei Intermediate-Risk- und High-Intermediate-Risk-Karzinomen
• Empfehlung bei optimalem Staging inklusive Sentinel-LK bzw. systematischer pelviner und paraaortaler Lymphadenektomie: – Brachytherapie bei negativen LK (Stadium I) vor allem bei Patientinnen über 60 JahrenBegründung: Daten der PORTEC-1- (Creutzberg et al., 2000) und PORTEC-2-Studie (Nout et al., 2010) (427 Patientinnen mit Intermediate-High-Risk-Tumoren postoperativ entweder perkutan bestrahlt [46 Gy in 23 Fraktionen] oder vaginale Brachytherapie [21 Gy in 3 Fraktionen oder 30 Gy Low-Dose- VI. Endometriumkarzinom 117 Rate]); median 34 Monate Nachbeobachtungszeit; kein Vorteil durch perkutane Bestrahlung; bei Patientinnen über 60 Jahre im Stadium pT1b verbesserte Überlebensrate nach vaginaler Brachytherapie.
6.5.4. Adjuvante Therapie bei High-Risk-(Typ I)-Karzinomen
• Empfehlung im FIGO-Stadium I: – Brachytherapie zur Reduktion der Vaginalrezidive – Teletherapie des kleinen Beckens kann zur Reduktion lokoregionaler Rezidive erwogen werdenBegründung: In MRC-ASTEC- und NCIC-CTG-EN.5-Studien (Blake et al., 2009) (905 Fälle des Stadiums I mit High-Intermediate-Risk-Karzinomen, postoperativ perkutan bestrahlt vs. keine adjuvante Therapie) weder im rezidivfreien noch Gesamtüberleben Vorteil durch Radiotherapie; lediglich verbesserte Rate an Vaginalstumpfrezidiven. Eine Metaanalyse (Johnson et al., 2007) zeigt durch eine externe Radiotherapie bei Typ-I-Tumoren mit Infiltration der äußeren Hälfte des Myometriums und hohem Malignitätsgrad (FIGO Ib, G3) einen DFSVorteil für 10 % der Patientinnen (durch Vermeidung lokoregionaler Rezidive); Die Wertigkeit einer adjuvanten Chemotherapie bei Intermediate- oder High-Risk im Stadium I und II ist gegenwärtig Gegenstand einer randomisierten Phase-III-Studie (ENGOT-EN2-DGCG/EORTC). – aus molekularer Sicht zeigt eine retrospektive Analyse, dass FIGO Stadium Ib oder II oder Grad 3 endometrioide Karzinome ausschließlich von einer adjuvanten Radiotherapie in puncto Überleben profitieren, wenn sie einen „MSI high“-Status aufweisen (Kommoss et al., 2019) – bei POLE-mutierten Karzinomen im FIGO-Stadium I kann laut der ESGO/ESTRO/ESP-Leitlinie 2020 auf jegliche adjuvanten Maßnahmen verzichtet werden (Concin et al., 2020; siehe Tab. 9 ).
• Empfehlung im FIGO-Stadium II: – Indikation zur externen Radiotherapie (plus Brachytherapie-Boost) ist großzügig zu stellen, insbesondere bei Grad-3-Tumoren und/oder eindeutiger substanzieller (= multifokaler) LVSI; bei dieser Konstellation ist auch eine systemische Therapie in Erwägung zu ziehen, da eine multifokale LVSI mit einem hohen Fernmetastasen-Risiko einhergeht (Bosse et al., 2015) – bei Grad-1- und Grad-2-Karzinomen ohne LVSI könnte eine alleinige Brachytherapie insbesondere bei Patientinnen mit höherer Komorbidität als Alternative angesehen werdenBegründung: Bei Patientinnen mit FIGO-Stadium-II-Typ-1-Endometriumkarzinomen führt die externe Radiotherapie unabhängig von der Art der durchgeführten Operation zu einem signifikant verbesserten Gesamtüberleben; naturgemäß höchster Benefit bei sog. Hochrisiko-Patientinnen (Colombo et al.,2016); dieses gilt im Besonderen, wenn eine MMR-Defizienz („MSI high“-Situation) besteht (Kommosset al., 2019). Bei einer mittels IHC festgestellten p53-Überexpression = p53-Abnormalität (abn) im Karzinom ist auf jeden Fall eine Radiochemotherapie in Erwägung zu ziehen (siehe unten) (León-Castillo et al., 2020). – auch im FIGO-Stadium II ist bei POLE-mutierten Karzinomen auf jegliche adjuvanten Maßnahmen zu verzichten (siehe Tab. 9; ESGO/ESTRO/ESP-Leitlinie; Concin et al., 2020)
• Empfehlung im FIGO-Stadium III: – in der Regel Chemotherapie plus Brachytherapie (Begründung: Randall-Daten, GOG-122) – alternativ: Radiochemotherapie (externe Bestrahlung plus Chemotherapie)Begründung: Am häufigsten wird das Stadium III aufgrund positiver Lymphknoten als IIIc1 (pelvin) oder IIIc2 (paraaortal) diagnostiziert; die Chemotherapie dürfte gegenüber der ausschließlichen Radiotherapie besonders bei Tumornachweis außerhalb des Uterus (befallene Lymphknoten) Vorteile bringen. PORTEC-3 zeigt nur im Stadium III ein signifikant besseres Event-freies Überleben durch die Additioneiner gleichzeitigen und sequenziellen Chemotherapie zur alleinigen Radiotherapie (siehe oben). Fürden Routinealltag ist im FIGO-Stadium III der Vergleich zwischen einer alleinigen adjuvanten Chemotherapie und einer Radiochemotherapie am wichtigsten. In der das FIGO-Stadium III und IVa sowie alle Typ-II-Karzinome betreffenden, randomisierten GOG-158-Studie, die am ASCO-Meeting 2017 präsen-118 VI. Endometriumkarzinom tiert wurde, konnte kein Überlebensvorteil für die Radiochemotherapie im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie gezeigt werden, allerdings war die Rate an Scheiden- und Beckenrezidiven signifikant geringer im Radiochemotherapie-Arm. Im Gegensatz hierzu war die Rate der Fernmetastasierungen im Radiochemotherapie-Arm jedoch signifikant höher als für die klassische Carboplatin/Paclitaxel-Therapie. Dies ist höchstwahrscheinlich auf die geringere Zytostatika-Gesamtdosis im angewandten Radiochemotherapie-Schema (das gleiche wie im experimentellen Arm der PORTEC-3-Studie) zurückzuführen (Matei et al., 2017). – in Bezug auf die molekulare Tumorcharakterisierung und die Auswahl der Therapiemodalitäthat eine weitere explorative Post-hoc-Subanalyse der PORTEC-3-Studie (siehe oben) ergeben, dass jene Karzinome mit einer IHC-festgestellten p53-(abn) die einzige molekulare Gruppeist, die von einer Chemotherapie zusätzlich zur Radiotherapie bezügl. RFS und OS signifikant profitiert, und dass bei den MMR-Defizienten, NSMP oder POLE-mutierten Karzinomen eine zusätzliche Chemotherapie zu keinem klinischen Benefit führt (León-Castillo et al., 2020) – in den seltenen Fällen eines Stadiums III bei POLE-mutierten Karzinomen sollte aufgrund der nurgeringen zur Verfügung stehenden Daten laut der ESGO/ESTRO/ESP-Leitlinie 2020 auf eine adjuvante Therapie nicht verzichtet werden (Concin et al., 2020) (siehe Tab. 9)
6.5.5. Adjuvante Therapie bei Typ-II-Karzinomen
• Empfehlung bei serösen Karzinomen: Chemotherapie; dies gilt auch für frühe seröse Karzinome, die das Myometrium nicht infiltrieren.Begründung: Von relevanten Vorteilen durch adjuvante Maßnahmen bezügl. OS ist beim serösen Endometriumkarzinom auszugehen. Eine retrospektive Multicenter-Studie mit 636 Patientinnen mit einem serösen Karzinom im FIGO-Stadium I und II zeigte eine signifikante Verlängerung des Überlebens durch eine adjuvante Chemotherapie kombiniert mit einer lokalen Brachytherapie der Scheide (Kurnit et al., 2019). Eine PORTEC-3-Subgruppen-Analyse der inkludierten serösen Karzinome konnte zeigen, dass diese Subgruppe am meisten von einer Radiochemotherapie im Vergleich zu einer alleinigen Radiotherapie profitierte (de Boer et al., 2019). Cochrane-Review (Humber et al., 2007): unter adjuvanter Radiotherapie Reduktion lokoregionärer Rezidive, aber kein OS-Vorteil. Frühe seröse Karzinome ohne Infiltration des Endometriums profitieren laut einer retrospektiven Studie mit 1.709 Patientinnen von einer adjuvanten Chemotherapie oder einer Radiochemotherapie im Sinne einer signifikanten Verlängerung des OS. Eine alleinige Radiotherapie zeigte keinen signifikanten Einfluss auf das Überleben (Nasioudis et al., 2020).– alleinige Chemotherapie: platinhaltige Chemotherapie vor allem in der Kombination von Paclitaxel und Carboplatin über 6 Zyklen; bei Kontraindikation alternativ Cisplatin + Anthrazyklin– Radiochemotherapie: PORTEC-3-Schema• Klarzellige Karzinome: Besonders für die klarzelligen Karzinome des Subtyps NSMP (ca. 50 % ohne p53-[abn] in der IHC) lässt sich eine prognostische Risikoabschätzung aufgrund der sehr geringen Daten kaum durchführen (Concin et al., 2020) und somit ist eine Vorhersage des Benefits einer adjuvanten Therapie, mit welcher Modalität auch immer, zum gegebenen Zeitpunkt unmöglich. Derzeit werden diese Fälle meistens mit einer Chemotherapie oder seltener mit einer Radiochemotherapie behandelt.
6.5.6. Adjuvante Therapie bei nicht optimaler Primäroperation
• Empfehlung: In Fällen mit fehlender Adnexektomie und/oder fehlender oder nicht gelungener Sentinel-Markierung und fehlender oder inkompletter Lymphadenektomie bei Intermediate- oder Intermediate-High- bzw. High-Risk-Tumoren (z. B. Zufallsbefund bei vaginaler Hysterektomie) sollte das operative Staging je nach Situation in einer Zweitoperation komplettiert werden. Ist diese nicht möglich oder erwünscht, ist bezüglich der adjuvanten Therapie folgendes Vorgehen indiziert: – Intermediate- + Intermediate-High-Risk-Fälle ohne LVSI: Brachytherapie der Scheide – Intermediate- + Intermediate-High-Risk-Fälle mit LVSI: Teletherapie des kleinen Beckens – High-Risk-Fälle (FIGO-Stadium I und II): Teletherapie des kleinen Beckens bzw. immer häufiger Radiochemotherapie; insbesondere beim Stadium II Grad 3 oder LVSI sollte zusätzlich eine sequenzielle Chemotherapie in klassischer Dosis über 6 Zyklen in Betracht gezogen werden
Begründung: Bei jeder Form einer diagnostizierten LVSI besteht ein erhöhtes Risiko für eine Fernmetastasierung. Dieses ist bei einer multifokalen LVSI mit einer HR von 3,6 höher als bei einer fokalen LVSI mit einem HR von 2,4 (Bosse et al., 2015). Diese Risikoabschätzungen sollen neben dem Alter und den Komorbiditäten der Patientin in die Therapieentscheidung einfließen.
6.6. Therapie des fortgeschrittenen und metastasierten Endometriumkarzinoms
• Lokal fortgeschrittene Fälle sind sehr individuell zu behandeln, wobei meist interdisziplinäre Therapiekonzepte als Kombination einzelner Therapiemodalitäten (Chirurgie und/oder systemische Therapie und/oder Strahlentherapie) zum Tragen kommen.
• Im metastasierten Setting steht naturgemäß die platinhaltige oder anthrazyklinhaltige Polychemotherapie im Vordergrund. Hier gilt als belegt, dass eine Carboplatin-PaclitaxelKombination einer Dreierkombination Cisplatin-Paclitaxel-Doxorubicin onkologisch ebenbürtig, aber besser verträglich ist (Miller et al., 2020). Falls keine Kontraindikationen bestehen, kann eine antiangiogenetische Therapie mit Bevacizumab (als Off-Label Use) zu der Carboplatin-PaclitaxelTherapie hinzugefügt und als Maintenance-Therapie bis zum Progress weitergeführt werden (Lorusso et al., 2019). Präliminäre Daten der sog. RUBY-Studie dürften darauf hinweisen, dass der Zusatz des PD-1-Inhibitors Dostarlimab zur Carboplatin-Paclitaxel-Therapie, gefolgt von einer Dostarlimab-Erhaltungstherapie bis zu 3 Jahren, zu Überlebensvorteilen führen, insbesondere bei fortgeschrittenen und metastasierten Karzinomen mit MMRd. Diese Therapie ist derzeit noch nicht zugelassen, könnte aber in geraumer Zeit zu einer neuen und wichtigen Therapieoption werden.
6.7. Rezidivtherapie
6.7.1. Allgemeine Aspekte zum Rezidiv
• 70–90 % in den ersten 3 Jahren nach Primärtherapie (17 % in der Vagina bzw. am Vaginalstumpf, 32 % im kleinen Becken, 51 % als Fernmetastasen [besonders Lunge]).• Überwiegender Teil symptomatisch: Blutung aus Vagina, Enddarm oder Blase; Schmerzen (im Becken, Abdomen, Hüften, Rücken); Husten, Kurzatmigkeit oder Beinschwellung. Diese Hinweiszeichen sind abzuklären!
6.7.2. Therapie des Lokalrezidivs
• Bei gut resezierbaren Rezidiven chirurgische Therapie. Eine R0-Resektion ist auf jeden Fall anzustreben. Bei Bedenken und wenig Aussicht auf R0-Resektion ist gleich eine Strahlentherapie einer chirurgischen Therapie vorzuziehen.
• Bei Inoperabilität (Lokalisation bzw. hohe Komorbidität und häufig Non-in-sano-Resektion) Radio-Teletherapie.• Ist weder OP noch Radiotherapie möglich: Palliative Systemtherapie (Chemotherapie, endokrine Therapie).
6.7.3. Therapie isolierter Rezidive am Vaginalstumpf
• Kurative Therapie zugänglich: Ist bereits eine adjuvante Radio-Teletherapie erfolgt und liegt nach Ausschluss einer Fernmetastasierung (PET-CT) ein kurativer operativer Ansatz vor, kannhier eine radikale Resektion (vordere und/oder hintere Exenteration) erfolgen (bei R0-Resektion 5-Jahres-Überlebensraten von 40 %).• Umschriebene Rezidive am Scheidenende: Wurde keine adjuvante Radiotherapie durchgeführt, sollte primär eine externe Teletherapie des kleinen Beckens durchgeführt werden, je nach Größe (geringe Chancen einer totalen Tumorclearance durch die Strahlentherapie) kann eine Rezidivresektion mit nachfolgender Bestrahlung erwogen werden.• Wenn operative Entfernung nicht möglich oder zu mutilierend, ist die alleinige Radiotherapie eine probate Alternative (Langzeit-Remissionen damit möglich).• Bei inoperablem Befund und erfolgter adjuvanter Radiotherapie Brachytherapie (Spickung) zu erwägen.• Multimodale Strategien mit „neoadjuvanter“ Chemotherapie oder Radiotherapie vor einer chirurgischen Resektion bzw. Exenteration bei selektierten Patientinnen.
6.8. Palliative Systemtherapie
• Indiziert, wenn in der Rezidivsituation oder bei Vorliegen von Metastasen weder eine Operation noch eine Radiotherapie möglich sind. In diesen Situationen kann in der Second-Line-Behandlung besonders bei „MSI high“-Tumoren auch auf eine Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren zurückgegriffen werden. Bei Mikrosatelliten-stabilen Tumoren besteht in klinischen Studien in der Second- oder Third-Line-Therapie die Möglichkeit einer Kombination dieser Immuntherapie mit Multikinase-Inhibitoren (z. B. Lenvatinib); für diese Kombination liegt in genau dieser Situation seit November 2019 eine FDA-Zulassung vor.
6.8.1. Palliative Chemotherapie
• Kombination Carboplatin/Paclitaxel als Standard (GOG-209-Studie: Miller et al., 2012; Miller et al., 2020). Auch in dieser Situation wird diese Therapie in Zukunft – je nach Zulassung – durch den PD-1-Inhibitor Dostarlimab, sowohl konkomitant zur Chemotherapie als auch als Erhaltungstherapie, komplementiert werden können.• Einzelsubstanzen wie Cisplatin, Carboplatin, Paclitaxel, Doxorubicin, Epirubicin mit Responseraten zwischen 21 und 36 % (medianes OS nur zwischen 7 und 9,5 Monaten).• Auswahl hinsichtlich der Toxizität in der Palliativsituation besonders kritisch zu treffen.
6.8.2. Palliative endokrine Therapie
• Indiziert, wenn Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie bei Rezidiven oder Metastasen ausscheiden.• Gestagene (z. B. 200 mg Medroxyprogesteronazetat/d) bei Progesteronrezeptor-positiven Karzinomen (meist Typ I), Ansprechrate bis zu 40 %; häufig thromboembolische Komplikationen.• Weiters: Aromataseinhibitoren, Tamoxifen weniger geeignet (Ansprechrate von 10 %); besser: Fulvestrant (nur östrogenantagonistische Effekte am Endometrium); GnRH-Analoga (Ansprechen 11 %).• Kombination von endokriner Therapie mit Chemotherapie ohne Vorteil vs. alleiniger Chemo.
6.8.3. Palliative molekulare oder biologische Therapien
• Gegenwärtig außerhalb von Studien noch kein Stellenwert bei rezidivierendem oder metastasierendem Endometriumkarzinom.• Evtl. Salvage-Therapie mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus in Kombination mit Aromatasehemmer und Metformin (Ansprechraten um 50 %).• Oben erwähnte Ansätze einer Immuntherapie mit sog. Immuncheckpoint-Inhibitoren (Anti-PD-1; Anti-PD-L1); haben in der Second-Line-Therapie eine FDA-Zulassung bei Neoantigen-reichen Karzinomen mit Defekten des Mismatch-Repair-Mechanismus (siehe „MSI high“; Lynch-Syndrom). • Nach durchgeführter Chemotherapie ist bei progredienten Nicht-„MSI high“- bzw. MMR-defizienten Karzinomen, bei denen weder eine operative Behandlung noch eine Strahlentherapie in Frage kommen, eine Kombinationstherapie mit Pembrolizumab und dem MultikinaseInhibitor Lenvatinib durch die FDA zugelassen. Laufende Studien überprüfen, ob diese Kombination unabhängig vom MS-Status und histologischen Subtyp beim fortgeschrittenen und rezidivierten Endometriumkarzinom in der Primärtherapie der klassischen Chemotherapie überlegen ist.