2.1. Allgemeine Aspekte
• Heterogene Krebserkrankung,wobei die verschiedenen histologischen Subtypen ätiologische und molekulargenetische Unterschiede aufweisen.
• „De-novo“-Entstehung ohne klassische Präkanzerosen.
• Niedrig differenziertes („high-grade“) seröses Karzinom (mit bis zu 75 % der häufigste Subtyp): Primär wurde das ovarielle Oberflächenepithel als Ausgangspunkt angesehen, aktuell vor allem das Tubenepithel (insbesondere der Fimbrien) und (i) darin entstehende okkulte neoplastische Läsionen (STICs = Serous Tubal Intraepithelial Carcinoma) oder (ii) Tubenepithel, welches im Rahmen der Ovulation in der Ovarialoberfläche eingeschlossen wird – Frauen mit abgeschlossener Familienplanung sollten im Rahmen benigner gynäkologischer Eingriffe über die Möglichkeit der selektiven (auch inzidentellen oder opportunistischen) Salpingektomie aufgeklärt werden.
• Hoch differenziertes („low-grade“) seröses Karzinom:Assoziation mit Borderline-Tumoren + invasiven Implants.
• Vermuteter Ursprung endometrioider/klarzelliger Karzinomesind atypische Endometriumzellen; Endometriose gilt als Risikofaktor, nicht jedoch als klassische Präkanzerose.
• Muzinöse Tumoren sind selten und imitieren das Epithel der Zervixschleimhaut. Insbesondere bei bilateralen Tumoren handelt es sich häufig um Metastasen. Appendix, Kolon und Pankreas müssen hier in die Abklärung miteinbezogen werden.
2.2. Hereditäre Aspekte
• Eine hereditäre Geneseliegt in ca. 15 % aller Ovarialkarzinome auf Grund einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation vor; zusätzlich in ca. 5–10 % somatische BRCA-Mutation im Tumor.
• Keimbahnmutationen der „Breast cancer“-Gene BRCA1 und BRCA2:Kumulatives Lebenszeitrisiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, ca. 39 % bzw. 11 %. Die Gene BRCA1/BRCA2 wurden 1994/1995 entdeckt und sind bedeutend im Prozess der Reparatur von Doppelstrang-DNA-Brüchen. Patientinnen mit BRCA-defizienten Karzinomen haben ein besseres Überleben bedingt durch ein besseres Ansprechen auf platinhaltige Chemotherapie. Zusätzlich gilt der Pathway der homologen Rekombination als vielversprechender neuer Therapie-Angriffspunkt in die Standardtherapie integriert.
• Eine prophylaktische Entfernung beider Adnexen wird daher diesen Frauen nach Abschluss der Familienplanung empfohlen. Die Risikoreduktion für ein Ovarial-, Tuben-, Peritonealkarzinom beträgt bei Mutationsträgerinnen ca. 85 %, zusätzlich dürfte insbesondere bei BRCA2-Mutationsträgerinnen das Risiko eines Mammakarzinoms gesenkt werden (Kauff et al., 2008).
• Eine genetische Beratung mit möglicher BRCA-Mutationstestung in der Keimbahn sollte allen Patientinnen, die an einem Ovarialkarzinom erkrankt sind, angeboten werden. Wenn möglich, sollte eine Tumortestung vor einer genetischen Beratung erfolgen.
• Eine genetische Beratung muss allen Patientinnen mit Ovarialkarzinom angeboten werden, bei denen sich eine BRCA-Mutation im Tumorgewebe zeigt.
• Lynch-Syndrom oder HNPCC (hereditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinom): Mutationen in DNA-Mismatch-Reparatur-Genen (insbesondere MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2) sind mit 10–15 % der hereditären EOCs assoziiert.
2.3. Endokrine Aspekte
• Reduzierte Anzahl an Ovulationen(späte Menarche, frühe Menopause, hormonelle Kontrazeption, Stillen, Multiparität) wirkt sich im Sinne einer Reduktion des Erkrankungsrisikos aus.
• Hormonersatztherapie (HRT) und hormonelle Stimulationstherapie:Die neueste Metaanalyse bestätigt die bisherigen Ergebnisse (Beral et al., 2015). Die Risikosteigerung für die Entstehung eines Ovarialkarzinoms unter HRT ist signifikant (40 %) und kausal. Die absoluten Zahlen allerdings auf Grund der niedrigen Inzidenz des Ovarialkarzinoms gering (bei 1.000 Frauen, die um das 50. Lebensjahr mit einer HRT beginnen und diese > 5 Jahre einnehmen,
1 Ovarialkarzinom zusätzlich). Bei bekannter Prognose stirbt eine von 1.700 Frauen unter diesen Bedingungen an einem Ovarialkarzinom. Eine entsprechende Indikationsstellung zu einer HRT und Nutzen-Risiko-Beurteilung sollte durchgeführt und mit der Patientin besprochen werden.
• Frauen, die wegen Kinderwunsch hormonelle Stimulationstherapien mit Clomiphen oder Gonadotropinen durchgeführt haben,werden bezogen auf das Ovarialkarzinom-Risiko in der Literatur widersprüchlich diskutiert. In einzelnen Publikationen kommt es zu einer Zunahme vor allem der Borderline-Tumoren, andere Autoren konnten wiederum keinen Zusammenhang aufzeigen. Die Cochrane Database empfiehlt jedenfalls die Langzeitbeobachtung bei Frauen, die wegen Kinderwunsch oder IVF hormonelle Stimulationsbehandlungen erhalten haben, um so die Frage eines eventuell erhöhten Ovarialkarzinom-Risikos zu klären.